Wir sind viele

Der Ort des Ursprungs ist virtuell. Man muss ja auch dem Klischee der ersten Generation, die mit Internet etc. aufgewachsen ist, entsprechen. Elitär ist anders, jeder kann mitmachen und wird über Treffpunkt und Zeit informiert. Dann ist es Sonntag und die Sonne scheint wirklich und der Frühling schmeckt wie das erste Eis. Der Weg durch den Park geht vorbei an Familien auf Familienausflug, an Picknickgrüppchen und einem Rummel (hier heißt das wahrscheinlich Kirmes). Man folgt einfach der Musik, die ihren Bass ausschüttet über der Stadt, den Hügel hinauf und plötzlich ist man gestrandet auf der kleinen Insel der fröhlichen Menschen. Alle sind da. In den Bäumen hängen Diskokugeln und ein paar sind hinaufgeklettert und sitzen da wie Vögel und wippen ein bisschen. Vorne spielt die Musik, drei DJs beugen sich über ihre Macs, loopen und trinken Bier dabei.

Überhaupt die Musik: Keine Sekunde zu anstrengend, kein wütender, stampfender Beat, sondern ein weiches Fließen mit ansteigenden und retardierenden Momenten und deren Auflösung. Dann freut sich die Menge besonders, viele heben ihre Arme, werfen sie förmlich in die Luft, tanzen weiter und lassen die Arme wieder sinken, auf Hüfthöhe.

Überhaupt das Tanzen: Viel Platz hat man nicht, ist aber gar nicht schlimm, denn es ist ein ganz ruhiges Tanzen, der Körper schwingt leise mit und manchmal eben auch ein bisschen die Arme. Alle tragen Sonnenbrillen und der Satorialist würden feststellen: Neon hat diese Saison sein großes Comeback. Alle lächeln, aber nicht so ein breites Grinsen, sondern eher ein wissendes Schmunzeln. Alle haben verstanden. Gut geht es uns, scheinen sie zu sagen. Über allem liegt so ein großer Frieden, man entschuldigt sich, wenn man jemandem auf die Füße getreten ist, sowieso wenn barfüßig. Kein Ding und wieder gelächelt. Mitten in der wogenden Menge steht eine türkische Frau mit Kopftuch und braunem Wollmantel, sie schwitzt bestimmt. Sie steht da für sich allein, aber doch auch Teil des großen Ganzen und niemand findet das komisch und sie auch nicht. Es sind auch Kinder gekommen, früh für die Technoszene sozialisiert, sozusagen. Viele trinken Bier oder Mate, manche kiffen, andere nicht. Unweit sitzt ein Mann und ließt die FAZ, ein anderer hat sich seinen Krimi mitgebracht.

Irgendwann steht man ganz vorne bei der Musik, aber es spielt überhaupt keine Rolle, wie nah man jetzt dran ist, ob man es vielleicht sogar schafft, den DJs über die Schulter zu schauen. Gelebte Demokratie. Jemand schmeißt Papierfetzen in die Luft und alle freuen sich darüber, wie sie wieder Richtung Boden schweben. Später Konfetti, es bleibt in den Haaren hängen und manchmal bleibt jemand stehen und pickt ein paar heraus, lächelnd.

Die Spuren am Ende: Konfetti auf dem Boden, Flyer, die schon von der nächsten Party flüstern und Flaschen, ganz viele Flaschen. Dann kommen die Flaschensammler, kleine schrumplige Wesen, und nehmen sie mit. Die Sonne geht unter, aber man spürt, das war erst der Anfang. Wir kommen wieder.