Spotifys Discover weekly hat mir unrealistische Vorstellungen der Partnersuche vermittelt

I wish I met a girl that understands and loves me as deeply
as my Spotify Discover weekly

 

Bürgerliches Verhalten, das einem nicht peinlich sein muss: Sonntagabends erst die Tagesschau, dann den Tatort streamen und zwar ohne gleichzeitig zu tindern. Bürgerliches Verhalten, das einem peinlich sein muss: Montage hassen. Zu Schulzeiten hatte sogar der Pausenclown, der aussah wie Uter Zörker aus den Simpsons, übers Wochenende sein Pulver verschossen, woran er die Welt durch Shirts mit der Aufschrift “Oh shit, it’s monday” teilhaben ließ. Beamte und andere Festangestellte trotzen dem ersten Tag der Arbeitswoche in Form ironischer Kaffeetassen, während sie vom Sabbatical mit Schildkröten-Tauchen träumen. Leute mit der falschen Berufswahl empfinden Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Freitagvormittag als die lästige Zeit zwischen den Wochenenden. Trotzdem: Manchmal hadern auch glückliche Freiberufler mit dem Wochenbeginn.

Zum Glück gibt es den Mix der Woche bei Spotify. Mit der Akribie eines Beamten filtert dieser aus Millionen verfügbarer Titel dreißig auf den persönlichen Geschmack zugeschnittene heraus. Manchmal findet sich in dieser cremigen Liste Unbekanntes wie Tuesday Paranoia, manchmal Klassiker wie Sunday, bloody sunday. Immer ist die Trefferquote an guten Songs recht hoch, ich würde sagen: 80/20. Danke, dass ich wenigstens ein Mal pro Woche an jene Einzigartigkeit erinnert werde, in deren Glauben meine Eltern mich erzogen habenIst die Auswahl einmal nicht ganz so geglückt, stelle ich mir vor, ein Praktikant sei am Werk gewesen. Das ist natürlich Quatsch. Einem Fachartikel war kürzlich zu entnehmen, der Spotify-Algorithmus gehöre zu den ausgefeiltesten im ganzen Netz und optimiere sich stetig selbst. In einer perfekten Welt muss sich niemand mehr Gedanken um seine musikalische Unterhaltung machen oder gar, wie M., nächtelang nach neuen Technosets suchen, nachdem die alten totgehört wurden. Über den Tinder-Algorithmus kursieren ähnliche Wundergeschichten. Und auch bei Elite Partner kümmern sich wohl mehrere 40-Stundenarbeiter (darunter sicher auch einige mit “Suche Freitag, biete Montag”-Tasse und vielleicht auch der ein oder andere, nach dem gesetzlichen Mindestlohn bezahlte Praktikant) um die perfect matches. Trotzdem haben sich tagtäglich Millionen erster Dates nichts zu sagen. Daran ändert auch der neueste Streich der Datingwelt nichts, eine App namens Once, die einem jeden Tag einen potentiellen Partner vorschlägt – ausgewählt von einem echten Menschen. Ich hatte trotzdem noch kein Date mit einem Once-Vorschlag, dafür kürzlich eines mit einem meiner Facebook-Freunde; das Kuriosum klärte sich erst Tage später auf und sollte wohl weniger Anlass zur Sorge um die Zahl der Facebook-Freunde bereiten als um die Effizienz von Algorithmen.

Was Online Dating betrifft, muss der Status Quo als ausbaufähig bezeichnet werden. Gibt es jemanden mit einer Trefferquote von 80/20 und gelegentlichen Anfällen von Bürgerlichkeit? Zwei Tatort-Liebhaber finden sich schnell. Aber zwei, die währenddessen nicht weiterswipen?