Schnittprotokoll

Die Laune der Frau – so ein weitverbreitetes Klischee – steht und fällt mit ihrer Frisur. Wie sonst ist die Provenienz des jedem geläufigen “Bad-Hair-Days” zu erklären? Und wie der sprunghafte Anstieg von hippen Friseuren, der auf die Erklärung eines bestimmten Viertels, sagen wir mal Friedrichshain, zum In-Viertel folgt? Kaiserschnitt ist so ein Beispiel. Stets trifft man dort aufwändig hergerichtete, perfekt geschminkte und, natürlich, perfekt frisierte Friseure, pardon, Hairstylisten an, die auf dem Bürgersteig sitzen, rauchend, und immer liegen da so tolle Heftchen wie das Electronic Beats Magazine zum Mitnehmen auf der Bank rum.

Beim wieder-mal-vorbei-schlendern entdecke ich ein Schild: “Haarmodelle gesucht”. Da lacht das Schwabenherz (soviel Selbstkritik muss sein), also los! Wenige Tage später werde ich freundlich von einer der schönen Rockabilly-Mitarbeiterinnen, nennen wir sie Aki, empfangen und darf wählen zwischen Wasser, Szenelimo und Bier. Aki ist wie alle anderen gepierct und tätowiert und man muss an dieser Stelle sagen, dass nicht nur bei der Wahl der Mitarbeiter ein stilsicherer Geist am Werke war: Die Einrichtung ist im 50s-Stil gehalten, mit niedlichen rosa Lederstühlen, Beistelltischchen in Nierenform und Vitrinen, in denen die hauseigenen Produkte, zum Beispiel ziemlich gut designte Haarpomenade, ausliegen. Abgerundet wird das ganze durch einen musikalischen Mix aus Elvis und Joy Division. Nachdem ich mich entschieden habe (Bier), komme ich in den Genuss einer ausgiebigen Kopfmassage. Wenn man nur lange genug zum elf-Euro-Friseur geht, vergisst man, wie gut sich das anfühlt! Immer mal wieder verfolge ich dabei die Unterhaltung am Frisiertisch nebenan, wo ein etwa dreizehnjähriges Mädchen dabei ist, sich von dem Großteil ihrer Kopfhaare zu trennen. Die Hairstylistin hat ihren Sprachduktus an den des Mädchens angeglichen oder auch nicht, jedenfalls klingt das dann ungefähr so:
– “Hast du Fußi gekuckt?”
– “Mhh.”
– “Warst auch für Schland?”
– “Klaaaar.”
– “Und Mutti passt auf, dass ich dir die Frisur jetzt nicht verkack, wa?”
– “Jaaa!”

Währenddessen schreitet Aki zur Tat. Mit einer Sorgfalt, wie man das sonst so gar nicht kennt, widmet sie sich, so scheint es, jedem Haar einzeln zu. Noch während ich überlege, in welchem Ausbildungsjahr sie wohl ist, kommen wir ins Gespräch über unsere Lieblingsbiersorten (Oettinger schlägt Sterni), die Wohnungssuche im Kiez (schwierig) und so weiter.

So schön das auch ist, das Reden, das da-Sitzen, sich-umschauen und Bier trinken, nach zweieinhalb Stunden werde ich doch etwas unruhig. Diese Unruhe weicht kurz darauf einem Anflug von Panik, als nämlich eine Kollegin sich der Sache, sprich meiner Haare, annimmt mit den Worten “Dat is ja och allet nich so einfach.” Dann erklärt sie Aki den Unterschied zwischen Deckhaar und Haupthaar und plötzlich werde ich mir der Tragweite meines Entschlusses bewusst und stelle fest, es ist bereits zu spät. Im gleichen Moment kommentiert die Frau am Nachbarfrisiertisch ihr Werk: “Sieht doch ganz okki aus!” und ich wünsche mir dasselbe auch für mich. Ein Blick hinterrücks in den Spiegel zeigt dann: Alle Panik ist völlig unbegründet. Sicherheitshalber schneidet die Chefin höchstpersönlich meinen Pony nach (und hier ist es Zeit mal die Frage aufzuwerfen, ob “Pony” eigentlich maskulin oder ein Neutrum ist).
Gut, dass ich nicht zur Eingangs erwähnten Sorte Frau gehöre.
Wobei: Ist doch echt okki geworden.