Le monde n’est pas à nous

Es ist noch gar nicht lange her, da war Paris fabelhaft. Wie gemacht für verhuschte Träumerinnen à la Amélie Poulain. In diesen Tagen gleicht die Stadt wohl eher dem Schauplatz eines anderen Klassikers des cinéma française.

Es ist das erste Mal, dass ich La Haine sehe. Und das mit großem Erstaunen: Eine solche Leichtigkeit hätte ich nicht erwartet. Nicht nur wegen seiner monochromen Bilder erinnert der Film eher an das schwarzhumorige Schwarze Schafe als ein Ghettoepos wie City of God. Vincent Cassel ist selbst nasebohrend noch unbeholfen sexy. Die bösen Vorstadtbuben halten sich beim Gähnen die Hand vor den Mund. Bis kurz vorm dann doch niederschmetternden Ende wecken wenigstens zwei Drittel von ihnen Sympathie.

Dass La Haine doch kein Feel-Good-Movie ist, liegt weniger an seiner filmischen Logik, als der gegenwärtigen Realität. Wer hätte ahnen können, wie laut man als anständiger Mensch auch zwanzig Jahre später noch “Nieder mit Le Pen!” rufen muss, auch wenn das Feindbild jetzt auf Pumps geht? Wie sehr noch immer Hautfarbe und der doppelte I-Punkt auf Saïd das Französischsein definieren? Wie feindselig Paris jemandem gegenüber steht, der keine Kulleraugen hat, sondern den Blick der Verzweiflung?

Hätte die kulleräugige Amélie mit dem Finger geschnippt, wären die Lichter des Eiffelturms sofort verloschen. Saïd muss ihm erst den Rücken zuwenden. Dass es außerhalb des Kinos auch ohne Magie dunkel wird – auch das gehört zur unerträglichen und doch auszuhaltenden Realität.