Intelligent abgespritzt

Heute mal: Ins Ficken 3000. Der Kunst wegen, versteht sich. Hereinspaziert, hereinspaziert, geboten wird eine Gruppenausstellung mit Abschlussarbeiten der UDK, HU und Kunsthochschule Weißensee. Titel: “Ab Achtzehn. Kunst und Porno.”

Das Ficken 3000, eine Berliner Institution im malerischen Kreuzkölln, scheint sich für ein solches Anliegen geradezu aufzudrängen. Über die genauen Hintergründe klärt eine freundlich lächelnde Dame auf, die sich als Prof. Dr.Linda Hentschel vorstellt. Die FAZ habe vor einiger Zeit von einer strukturellen Umwälzung der Berliner Schwulenclubs berichtet und im selben Atemzug das Ficken 3000 als einen “Ort potenziell unbegrenzter Glückseligkeit” bezeichnet. Man habe diese Aussage auf ihre Wahrheit hin überprüfen wollen, auch weil “in den dunklen Ecken nicht nur gefickt, sondern auch über Ficken nachgedacht wird…”. Angekündigt wird Frau Hentschel von einer der teilnehmenden Künstlerinnen, “Jetzt mal Applaus… okay, cool!” Wie sie da so auf dem Podest steht in ihrem engen schwarzen Kleidchen (die Künstlerin, nicht die Professorin) im wirklich ziemlich pornösen roten Licht, das kommt schon ganz gut.

Zeit, sich einmal der tatsächlichen Kunst zuzuwenden. Im Barraum läuft ein Video mit dem Titel “Grauen in Sauen.” Es geht um, nun ja, Nekrophilie und je länger man den einführenden Text liest, desto weniger Lust hat man, sich die folgenden Bilder anzusehen. Auch wenn dann eigentlich nur ein dezent auf Zombie getrimmtes Pärchen zu sehen ist, das durch eine Winterlandschaft irrt und sich Zugang zu einer alten Villa verschafft. Zugegeben: Noch ist nicht viel passiert und Vorsicht ist besser als Nachsicht, also weiter. Ebenfalls im Eingangsbereich findet man sich an einem kleinen Stehpult wieder, wo ein liebevoll gestaltetes Plakat das “Pornomalbuch” vorstellt. Hier kann der kreative Mitte-Hipster endlich sein lange verstecktes künstlerisches Potential ausschöpfen und nach Herzenslust schneiden, kleben, ausmalen. Es gibt auch Tiere zum Ausschneiden. Sodomie ist ein Thema, das einem öfters in dieser Ausstellung begegnet.

Als nächstes die enge Treppe hinuntersteigen und dabei einen Blick auf die Youporn-Ausdrucke werfen. Deren Sinn erschließt sich ebenso wenig wie das Video am Fuße der Treppe, eine unkommentierte Aneinanderreihung von einzelnen Pornosequenzen. Geschockt ist hier natürlich keiner, alle nippen gelangweilt an ihrem Bier und schauen Tiffany, Gina und Mandy beim Liebe machen zu. Lediglich der Schriftzug am Ende – “How to porn like there is no tomorrow” – könnte als künstlerische Handschrift verstanden werden.

Neugierig tastet sich die Rezensentin im schummrigen Kellrgewölbe vorwärts. Hier ist es, anders als im Erdgeschoss, nicht ganz so unerträglich heiss, dafür sieht man praktisch nichts. Es scheint so, als ob dies viele Gäste der Vernissage als Anlass nutzen, einmal besonders grob mit ihren Mitmenschen umzuspringen, sprich zu rempeln, schubsen und auf die Füße zu treten. Man würde gerne ein wenig länger bei einer weiteren Videoarbeit verweilen, ganz besonders, weil die Musik so gut ist hier und der Bass eine Ahnung verleiht, wie hart hier sonst gefeiert wird, traut sich dann aber nicht so richtig, sich an die Gewölbewand anzulehnen und auf den Boden sitzen ist vielleicht auch keine so gute Idee.

Viele der ausgestellten Werke sind erstaunlich konventionell im Sinne von: Kennt man doch. In einer Zeit, in der Zehnjährige auf dem Schulhof Pornos statt Sticker tauschen braucht es schon ein bisschen mehr, um die Leute heiß zu machen, vor allem und ganz besonders wenn man so einen, nun ja, aussagekräftigen Ausstellungsort bespielt. Zwei Arbeiten bleiben dann doch im Gedächtnis: Das zerwühlte Bett mit den IKEA-Schildern unter der typischen weißen Papierlampe und ein kleines, in liebevoller Handarbeit gebasteltes Büchlein, in dem die Künstlerin Lieschen Müller diverse Fetischartikel auflistet. Gefällt mir!

Kurz vor den ersten klaustrophobischen Schüben lieber zurück nach oben, durch wabernde Rauchschwaden hindurch, vorbei an schwitzenden, halbnackten Körper und plötzlich glaubt man es knistern zu hören, dann mit einem Schritt hinaus in die schwül-heisse Sommernacht. Die Welt da draußen ist manchmal Porno genug.