Eat up your Lynch cake

Zu den großen Fragen des Lebens gehört diese: Warum schmeckt gesund meistens nicht so gut wie ungesund? Schon ein Kind von wenigen Jahren hat verstanden, dass Schokolade glücklicher macht als Obst und fettige Pommes besser munden als Salzkartoffeln. Da helfen, so zumindest meine (noch nicht!) empirisch belegte Vermutung auch keine gut gemeinten Ratschläge wie: Mit Farben experimentieren! Gemeinsam mit dem Kind das Essen zubereiten! Damit der Teller schön bunt aussieht und die Kleinen Lust kriegen auf Rohkost und Slow-Food. Mit zunehmenden Alter gesellt sich zum natürlichen Trieb das schlechte Gewissen. Lebensmittel-Ampeln sollen auch den letzten Essensidioten, für den die Tatsache, dass ein Liter Cola mehr Zucker hat als ein Liter stilles Wasser, eine grundlegend neue Erkenntnis bedeutet, zum Umdenken erziehen, natürlich mit der noblen Absicht, dass eben dieser Essensidiot in naher Zukunft nicht die Krankenkassen belastet und dem braven Steuerzahler auf der Tasche liegt.

Der Filmkritiker Dan Kois vergleicht in einem Artikel für die New York Times eine gewisse Sorte Film mit der Gemüseportion auf seinem Teller, die er als verantwortungsvoller Erwachsener gefälligst aufzuessen habe. Steak schmeckt besser, findet er, aber mit dem Ampelsystem und der Ernährungspyramide im Hinterkopf schmeckt es dann eben nur noch halb so gut. Aufs Kino bezogen heißt das: Blockbuster, leicht-verdauliche Komödien und stumpfe Action-Streifen sind wie das saftige Steak, das so verführerisch auf dem Teller liegt und ruft “Iss mich!”, während Art House, Film noir und Independent Kino dem ungeliebten Grünzeug entsprechen. Als Filmkritiker (der New York Times, daran sei noch einmal erinnert) sieht sich Kois in der Pflicht, letztere nicht nur von Berufs wegen anzusehen, sondern auch noch zu goutieren und ihn überkommt eigener Aussage zufolge, ein Gefühl von Panik, wenn er sich in wahrhaftigen Momenten eingesteht, dass er Letztes Jahr in Marienbad doof findet und Slow cinema einschläfernd.

Selbst Facebook findet in seiner Debatte einen Platz: Wenn der Autor feststellt, dass das Gefühl dazuzugehören, auf der Höhe der Zeit zu sein, seine bildgewordene Entsprechung in Threads, Posts und Pinwandeinträgen findet, wodurch alle dreihundert Freunde bestens Bescheid wissen über Vorlieben und Abneigungen und die eigenen Leichen im Keller („Du fandest Hangover witzig?“). Ich like, also bin ich.

Da die Wahrscheinlichkeit, dass man selbst nicht zum elitären Kreis der Filmkritiker gehört, recht hoch ist, stellt sich für den Hobbycineasten die Frage, wie die Masse an visuellem Input, sprich die Überzahl an Filmen zu bewältigen ist; da eine Selektion stattfinden muss, vollzieht sich diese entweder auf Kosten des persönlichen Vergnügens (high) oder des guten Gewissens (low). Dan Kois’ Offenbarung zog eine Flut von wütenden Leserbriefen nach sich und viele seiner Kollegen schlossen sich den Tiraden an. Dabei hat er, finde ich, finden auch andere, doch nur laut ausgesprochen, was viele denken.

Are there styles of filmmaking or individual directors you simply can’t access, but keep sampling in hopes of finally breaking through? Ich persönlich beantworte die Frage mit einem klaren Ja und das Objekt meiner Verzweiflung ist David Lynch. Nicht ohne Stolz kann ich sagen, die meisten seiner Filme, zumindest die must-haves gesehen zu haben. Leider muss hinzugefügt werden, dass ich kaum einen bis zum Schluss ausgehalten habe. Egal ob Blue Velvet (bei dem wenigstens der Soundtrack Trost spendete), Lost Highway, Mulholland Drive, oder Inland Empire, der für mich mit Abstand unerträglichste von Lynchs Filmen, es ist und bleibt mir ein Rätsel, wie man daran Gefallen finden kann. Einen halben Campingurlaub in Italien habe ich einst darauf verwendet, mit Twin Peaks warm zu werden – Hoffnungslos. Nicht einmal eine Twin Peaks Mottoparty schaffte Abhilfe, so erlebt im Wiener Fluc, bei der sämtliche Lieder, die in der Serie auftauchten, live gespielt wurden (interpretiert trifft es vielleicht besser) und die Gäste mit selbst gebackenen Kuchen verköstigt wurden – unter anderem Cherry Pie, der, wie ich mir sagen ließ, in der Serie ständig gegessen würde, was ich ja nicht wissen konnte, was mir aber auch egal war, denn er schmeckte auch ohne dieses Wissen ganz wunderbar.

Überhaupt war das vielleicht der Abend, an dem ich beschloss, gewisse Dinge einfach ein bisschen weniger ernst zu nehmen. Filme, die man gesehen haben muss zum Beispiel. Wenn man einmal damit angefangen hat, einem Kommilitonen, der Filmwissenschaft studiert, mit einer lässigen Handbewegung Pasolini für überbewertet zu halten und hinzuzufügen, dass man Stummfilme schon immer anstrengend fand, geht es ganz leicht. Der nächste Schritt wäre dann, seine Harry Potter Collection nicht mehr in der hinteren Schrankecke zu verstecken oder die Napoleon Dynamite Pyjamahose endlich mal bei der nächsten Mottoparty zu tragen (noch immer nicht geschehen).

All das soll ja nicht heißen, dass ich nicht auch ganz von allein Filme gut finde, die in die Kategorie „anspruchsvoll“ fallen – Die Betonung liegt auf ganz von allein. Genauso wie Gemüse von Zeit zu Zeit nicht nur ganz okay schmeckt, sondern erste Wahl ist und man von Fast Food schnell übersättigt ist. Zu einem Cherry pie sage ich trotzdem niemals nein. Der würde vermutlich eine rote Ampel verpasst kriegen, aber das geht für mich in Ordnung.