All posts filed under ‘Bühne

Eigentlich wollen sie nur vögeln

Eigentlich ist das Un-Wort unserer Zeit. Wir benutzen es ständig, meist ohne Sinn und Verstand. Es schafft Distanz zu Dingen, die wir ohne nicht aushalten würden. Die in Wien lebende Autorin Teresa Dopler widmet diesem Wort, das ein Lebensgefühl ist, ein ganzes Stück. Eigentlich sind Ruth und Ivan seit Jahren getrennt, eigentlich waren sie total […]

Ich habe heute leider ganz viele Karten für Dich

Es gibt solche Theaterabende, da könnte man hinterher eine Therapiesitzung gut gebrauchen. Okay, das könnte ich sein. Bin ich deswegen ein boshafter Charakter? Das jedenfalls bescheinigte mir die Performance “Total Therapy”, die im Rahmen des Festivals “Save your Soul” an den Sophiensaelen gezeigt wurde. Obwohl ich mich in Durchgangszimmer einquartierte und beim Flirten niemals Eisbonbons verteilte, wanderten […]

Nach München!

In politischer Hinsicht macht die bayerische Hauptstadt wenig Spaß, umso mehr dafür, wenn es um Theater geht. Keine Spielzeitvorschau wirkt vielversprechender als die der Münchner Kammerspiele. Rimini Protokoll, Ersan Mondtag (mit dem ich in Kreuzberg Kaffee trinken war), Christopher Rüping (mit dem ich im Auftrag der Welt geskypt habe) und Susanne Kennedy (auch sie habe […]

Cunnies googeln

Die Hölle ist los, wenn deutsche Inszenierungen nicht englisch übertitelt werden. Umgekehrt passiert nichts. Hätte ich den Text vorher nicht gelesen (journalistische Ehrensache), mir wäre wohl vieles entgangen an diesem Tanzabend im Deutschen Theater, auch Lustiges. Ziemlich sicher wussten nicht alle im durchschnittlich fünfundvierzig Jahre alten Publikum, was der Slangbegriff cunny bedeutet. Das Urban Dictionary […]

Männer, die Fische kaufen

… kehren, ähnlich wie vom Zigarettenkauf, selten zurück. Das ist eine der vielen Moralen von Berthold Brechts Stück “Mann ist Mann”. Am Berliner Ensemble dient es als lose Rahmenhandlung für eine Werkstattinszenierung des Künstlers Olaf Nicolai, wobei Werkstatt wörtlich zu verstehen ist, denn Schauplatz ist ein KFZ-Betrieb am Prenzlauer Berg. Was ich bei “Brecht in […]

Fummeln wäre das Größte

Susanne Kennedy gehört für mich zu den interessantesten Regisseurinnen der Gegenwart. Nicht alles, was ich sah, mochte ich – schlimm etwa sind meine Erinnerungen an ihr niemals enden wollendes, an der Volksbühne gezeigtes Stück “Women in trouble” – aber Theater ist, finde ich, auch nicht dazu da, gemocht zu werden. Für Die Welt habe ich […]

Man spricht Deutsch

Dea Loher hat nichts mit dem am Hut, was am Theater gerade so trendet. Keine Postdramatik, keine ironischen Textflächen, kein Geschlechtertohuwabohu, außerdem spricht man Deutsch.  Den Begriff politisches Theater findet sie “scheiße”. Trotzdem – oder gerade deswegen – kommt ihre Arbeit sehr, sehr gut an. Für Die Welt habe ich mit der mistgespielten deutschen Dramatikerin ein […]

Liebe Deine Krise

“Meine Generation fragt sich, was das ist: Leben. Abgesehen davon eint sie eine Sehnsucht nach einer bürgerlichen Existenz, dem, was Sargnagel mit ‘Schrankwand’ meint. Man rebelliert gegen diese Spießigkeit und bedauert gleichzeitig die eigene Haltlosigkeit.” Für das Festival Radikal jung am Münchner Volkstheater habe ich mit der tollen Regisseurin Christina Tscharyiski über unsere kleinen Krisen, […]

Gut gelaunt? Heute schon

Kritiker sind von Natur aus grummlig und haben immer was zu meckern? Stimmt nicht. Entgegen der allgemeinen Meinung – der Schauspieler Fabian Hinrichs bekannte, sein Mitleid mit den Schauspielern sei groß, er habe viele Aufführungen vorzeitig verlassen und überhaupt sehr gelitten – hat mir die 55. Ausgabe gut gefallen. Wie viel Spaß Theater machen kann, […]

Fuck you, dann spiele ich Onkel Wanja eben mit Tränen in den Augen

Was macht man, wenn das Publikum an allem, was man tut, etwas auszusetzen hat? Auch und hauptsächlich, weil ihm nicht-heteronormative Körperbilder nicht gefallen? Und Akzente, die nicht nach AfD-Deutsch klingen? Man denkt Fuck you, richtet sein Krönchen und geht weiter seinen eigenen Weg. Dieser Weg hat Benny Claessen an viele große Theater geführt, er arbeitet […]

Fleckenfreies Kunstblut

Letztes Jahr hatte ich das Glück, an den Münchner Kammerspielen einen ganz und gar ungewöhnlichen “Hamlet” zu sehen. Wir saßen in der zweiten Reihe – oder war es die erste? – also nicht weit genug hinten, um vom Kunstblut verschont zu bleiben. Und ja, es fließt, tropft und spritzt viel Kunstblut in dieser Inszenierung, die […]

Theater, das die Welt braucht

Auch dieses Jahr versammelt das Berliner Theatertreffen die zehn bemerkenswertesten Inszenierungen. Eine davon kenne ich bereits von meiner Nachtkritik aus Wien; sie gehört zu meinen absoluten Favoriten des Jahres 2017. Für die Berliner Zeitung habe ich noch mal aufgeschrieben warum: Ist die Welt krank, oder bin ich es? Kaum einer kann diese Frage besser bespielen […]

Schade, dass der Tod so kurz kommt

Ferdinand Schmalz gehört für mich zu den spannendsten Autoren des zeitgenössischen Theaters. Sein Siegertext beim Bachmann-Wettbewerb hat mich theoretisch und praktisch umgehauen. Jetzt hat der Grazer für das Burgtheater eine neue Version des Jedermann geschrieben. Leider ist  Stefan Bachmanns Inszenierung von Jedermann (stirbt), über die ich für die Welt berichtet habe, sehr, sehr, sehr offensichtlich […]

Die geistige Leere schwarzer Löcher

Am Anfang von Yael Ronens neustem Stück “A Walk on the Dark Side” steht der Monolog eines Astrophysikers über Sternenstaub und Planksche Sekunden, dem natürlich niemand folgen kann. “Seid ihr auch alle ausgestiegen?”, fragt daraufhin dessen Bruder, seines Zeichens ebenfalls Wissenschaftler und TED-Talk-Redner. Das kann ja heiter werden, dachte ich mir. Wurde es nur bedingt. […]

Ein bisschen Bitch muss sein

Viele Kunstwerke werden derzeit auf Spuren des Patriarchats abgeklopft. Die DDR-Ikone Christa Wolf war Avantgarde. Ihr Roman “Medea. Stimmen” erschien bereits 1996. Am Deutschen Theater hat Tilmann Köhler (ein Mann!) den Stoff inszeniert, mit einer soliden, etwas eindimensionalen Medea und einigen spannenden Nebenfiguren. Auch Männern! Warum es ohne die nicht geht und auch nicht ohne […]

In den Keller gekehrt

Klassiker: Ulrich Seidls Im Keller. Austrophile wie ich wissen, dass es wirklich so ist mit den Österreichern und ihrer Tendenz, Dinge unter den Teppich zu sperren oder in den Keller zu kehren. Yael Ronen stammt aus Israel, hat aber österreichischen Wurzeln. Am Wiener Volkstheater inszenierte sie Gutmenschen, ein Stück, das nach dem „Das-wird-man-doch-noch-sagen-dürfen-Prinzip“ funktioniert. In weiten […]

Vielleicht, vielleicht auch nicht

Wenn man als freie Autorin gefragt wird, ob man seine Meinung zu #metoo im deutschen Stadttheater zum Besten geben will, lehnt man nicht einfach ab. Vor allem nicht, wenn man gerade in Neukölln überteuerte Cocktails trinkt. Also habe ich nachgedacht, war mit Ersan Mondtag Kaffee trinken in Neukölln (gar nicht teuer), hab weiter nachgedacht, kam zu keiner […]

Quoten und Despoten

Bei unserem Treffen hatte Ersan Mondtag Blumen dabei. Hatten die etwas mit dem anstehenden Valentinstag zu tun? „Nö.“ Kurz zuvor hatte er einem Mann mit Kinderwagen die Tür des Neukölln Cafés aufgehalten. Das Enfant Terrible des deutschen Stadttheaters hatte ich mir anders vorgestellt. Nur dass er humpelte, passte zu seinem Image. Ein Probenunfall, bei dem […]

Tischdeckengeister im Frühstückssaal

Die besten Sätze eines Texts stehen manchmal gar nicht drin. Kill your darlings nennt man diese Schreibtechnik. Zugegeben benutze ich sie nicht sehr oft, weil ich eitel bin und schöne Sätze sehr gerne mag. Im Fall der Premierenkritik von Hotel Strindberg am Wiener Akademietheater habe ich eine Ausnahme gemacht. Eine besonders schöne Szene war jene, in […]

Endlich cool

Ein böser Scherz unter Kritikern: Wer will übers Berliner Ensemble schreiben? Wird ein freier Abend, weil man eh weiß, wie‘s werden wird. Dann kam die Spielzeit 2017/18. Von Inszenierungen mit magischer Schulklassenanziehungskraft zu Ersan Mondtag und Stefanie Reinsperger: Plötzlich kann ich Leute guten Gewissens ins BE schicken. Warum, habe ich für Traffic News To Go aufgeschrieben.

Lass Dich heimgeigen, Eva

Thomas Bernhard ging zur Beruhigung auch ins Kaffeehaus. Das Gute an den Wiener Kaffeehäusern ist ja nicht nur deren tadelloses Mehlspeisensortiment, sondern dass sie auch nach zwanzig Uhr noch offen haben, also dann, wenn Theatervorstellungen beginnen. Einige der bekanntesten (Landtmann, Schwarzenberg) befinden sich in unmittelbarer Nähe der großen Häuser und viele Abonnenten gönnen sich nach […]

Circa 99 Luftballons

Militär als Lebensinhalt, Ehre über alles und viel k.u.k.-Staub: Joseph Roths “Radetzkymarsch” wirkt aus heutiger Perspektive sehr weit weg. Sehr nah sind hingegen in Johan Simons Romanadaption die vielen bunten Luftballons auf und über der Bühne des Burgtheaters. Einige davon schaffen es bis in den Zuschauerraum, wo sie von jenen zurückgestupst werden, die sich genau […]

Irgendwas mit change

Eigentlich ganz erfrischend, mal von Joachim Meyerhoff als Arschloch bezeichnet zu werden, zumal ich ihn während meiner Hospitanz im Hamburger Thalia Theater als ausgesprochen friedlichen Zeitgenossen kennengelernt habe. Anlass ist die Premiere von Jette Steckels “Volksfeind” am Wiener Burgtheater. Es geht um den Wahnsinn der Gegenwart, um Glyphosat, Panama-Paradise und (meine Ergänzung), dass die Zeit […]

#metoo bored

Dass der Theaterbetrieb voller sexistischer Kackscheiße ist, decken Nachtkritik, Deutschlandfunk Kultur und andere gerade auf. Nicht nur hinter, auch auf der Bühne gibt es reichlich Anschauungsmaterial. Zum Beispiel bei “Schlechte Partie” im Burgtheater. In einem Interview gestand dessen Regisseur Alvis Hermanis, ursprünglich sei er nur ans Theater gegangen, um “Mädchen kennenzulernen”. Okay, cool. Was dabei herauskommt, […]