Are you interested in poetic non-storylines by any chance?

Eine Frage vorab: besteht die größte schauspielerische Leistung darin, über ein möglichst breitgefächertes Repertoire von Mimik zu verfügen oder den einen Gesichtsausdruck über eine Stunde und siebenundzwanzig Minuten beizubehalten?
Letzteres kann Lone Man ganz gut. So gut, dass man sich mit hoher Wahrscheinlichkeit an die völlige Ausnahmesituation erinnert, an die Szene nämlich als der Hauptdarsteller zu Gast in einer Flamencobar ist und lächelt. Allein über dieses Lächeln, dieses kaum merkliche Spiel seiner Mundpartie, ließen sich einige Zeilen schreiben. Warum genau es zu dieser Abnomalität kommt, ist natürlich nicht ganz klar; der aufmerksame Zuschauer erinnert sich aber daran, den Text des Liedes, der von den Menschen, die sich größer fühlen, dem Friedhof und dem Nullwert des Lebens, schon einmal gehört zu haben.

Überhaupt spielt es eine große Rolle, Dinge, Sätze, Momente wiederzuerkennen. Die Streichholzschachtel fungiert hier noch eher als Einstiegsübung, nach dem vierten Austausch hat es auch der Letzte kapiert. Ebenso wie die zwei Espressi, von denen möglicherweise immer nur einer getrunken wird. Und auch die kleinen weißen Zettel in den Streichholzschachteln, auf die man einen flüchtigen Blick werfen, die man aber nicht verstehen kann und die stets mit einem dieser beiden Espressi runtergespült werden (war da ein Zucken im Gesicht des Darstellers??) gehören dazu. So wird man im Laufe des Filmes zum pedantischen Beobachter, zum pingeligen Voyeur. Jedes Detail kann das Allesentscheidende sein!

Beeindruckend auch die Spielweisen menschlicher Konversation. Jedes Gespräch beginnt mit dem gleichen Satz, Lone Man spreche aber kein Spanisch oder etwa doch?; es folgt die Frage “Are you interested in (Music, Sciences, Movies etc) by any chance?” und ein Monolog des Fragenden. Vom Gegenüber kommt: nichts. Dennoch scheinen alle (zumindest die Sprecher) am Schluss immer das Gefühl zu haben, es habe eine wirklich inspirierende Unterhaltung stattgefunden. Und dann die Musik!

Auch die letzte Szene ist nochmal ganz großes Kino. Lone Man tauscht perfekt sitzenden Anzug gegen legere grüne Trainingsjacke und verlässt die Herrentoilette. Auf dem Weg nach draußen bleibt er neben einem Mülleimer stehen. Er zögert, Zoom auf seinen immer noch stoischen Gesichtsausdruck, greift in die Tasche seiner Hose und lässt die Streichholzschachtel in den Müll fallen. Sein Auftrag ist zu Ende. Er geht nach draußen. Hat er jetzt Ferien?

Bis zum Schluss bleibt die ein oder andere Frage unbeantwortet: Wieso hat der Hauptdarsteller nicht wenigstens einen Pyjama in seine schicke Reisetasche gepackt? Wo kommt die Wechselgarderobe her (was angesichts des Settings in brütender Hitze keine schlechte Idee ist), wo doch seine Tasche laut eigener Aussage leer ist? Und so weiter und so fort…
Ich denke weiter darüber nach, auch wenn sich die Vermutung aufdrängt, dass es keine Antworten geben kann, dass das aber wahrscheinlich auch gar nicht schlimm ist und höre Boris- “Farewell” in Endlosschleife. Ach ja: Der Film heißt “Limits of Control”.