A-A-A Overkill

Drei Gründe, warum ich keine Pseudorezension schreibe:
1. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Endprodukt kaum mehr als eine Ansammlung von Zitaten wäre, ist groß.
2. Zwangsläufig käme man wieder auf A-A-A bzw. HH zu sprechen und das ist nun wirklich genüsslich ausgebreitet, glorifiziert und verrissen worden; man muss auch mal aufhören können.
3. Ich bin keine Liteaturkritikerin und will auch keine werden.Ein Grund, warum der Gegenstand meines Textes heute trotzdem ein Buch ist: Meine Begeisterung und tiefe Bewunderung dafür in Worte fassen.

Angefangen hat es wieder mal mit Helene. Ich habe das Gefühl, ihre Omnipräsenz in absehbarer Zeit nicht mehr ertragen zu können. Lesen ist trotzdem Pflicht irgendwie, also unentschlossen mit dem Pfeil den Zur-Kasse-Button bei Amazon umkreist. Dann – hoppla – fällt der Blick nach unten: “Kunden, die diesen Artikel gekauft haben, kauften auch” (Wieviele Bücher kauft dieser sogenannte durchschnittliche Kunde eigentlich pro Einkauf?). Amazon weiß ja besser was ich will als ich selbst, darüber muss nun wirklich nicht mehr diskussiert werden und dieses Gimmick gehört durchaus zu den Angenehmeren des Web 2.0. Der Vorschlag heißt “Rave”, der Autor Rainald Goetz. Die Farbe des Covers ist gänzlich misslungen, knallt aber auf jeden Fall. Ich verschiebe Helene also auf später und widme mich vorerst Rainald.

Ein gutes Zeichen: Wenn ich immer beim Lesen Stift und Papier neben mir liegen habe, um die schönen, berührenden, irgendwie weiterverwendbaren Stellen abzuschreiben. Mal sind die Sätze herrlich verschwurbelt, sodass es leicht passieren kann, dass man sich am Satzende nicht mehr an den Anfang erinnern kann; dann wieder klar, puristisch, “paar Worte”.

Auf die Gefahr hin, dass sein Stil maßgeblichen Einfluss auf mich ausübt, erkläre ich Rainald Goetz schonmal sicherheitshalber zu einem meiner All-Time-Favourites. Denn das Problem liegt auf der Hand: dass ein literaturversierter Leser sofort erkennt, wen der Autor bewusst oder unbewusst nachzuahmen versucht. Schon wieder meldet sich H. zu Wort: So geht Autorenschaft heute. Wir leben im post-post-post-strukturalistischen Zeitalter, da wird gebastelt wie in der Kindergartengruppe, Text, Schere, auseinandergeschnitten, neu zusammengesetzt und wenn man Glück hat, merkts keiner. Inspiration lässt sich nicht leugnen, aber wo hört die auf?
Ich für meinen Teil kann nur sagen, dass ich jedem wärmstens ans Herz lege, “Rave” zu lesen. Man muss natürlich auf die Art von Sujet stehen, aber rein textqualitativ gesehen ist das eine echte Offenbarung. Wenn Helene besser schreibt als Airen (rhetorischer Konjunktiv), dann ist Rainald sowas wie das Berghain unter den Schreibenden (eine zugegeben bemühte Metapher, passt aber so schön zum Thema).

Zum Schluss doch noch ein Zitat: “Am Liebsten würde man jetzt im Moment tatsächlich nie wieder einschlafen müssen. Mit der Müdigkeit kommt die Distanz zurück, zwischen uns, die Normaldistanz, die zwischen Leuten besteht. Die war vorhin eben kurz weg. Extrem schöner Moment war das gewesen. Eine Verrücktheit.”
Rainald, wenn du das liest, kann ich bitte ein Praktikum bei dir machen?