Das Burgerium-Mysterium oder: Probieren geht über Frittieren

Auch wenn Kochen ein ganz wunderbarer Zeitvertreib ist, so kennen wir doch alle die Momente, in denen es – aus zeitökonomischen Gründen oder weil man eben mal keine Lust hat – nicht möglich ist und so trifft es sich recht gut, dass die Fast Food Branche unablässig expandiert, ganz besonders im heimischen Kiez. Die Qual der Wahl bereitet eine schier unendliche Zahl von Dönerläden, Currywurstständen, Falafel-, Halloumi-, Schawarma-Sandwiches-Verkäufern, Pizzadächern und Burgerhäusern. Letztere scheinen sich in letzter Zeit auf beinahe unheimliche Weise zu vermehren, so dass die aufmerksame Kiezbewohnerin nicht umhin kommt zu fragen, wo die neue Lust auf Burger ihren Ursprung hat. Ein zehnminütiger Gang um den Block führt bei entsprechend gewählter Route an nicht weniger als fünf solcher Imbisse vorbei: Dem “Bürgertum” in der Revalerstraße, dem “Burgeramt” am Boxhagener Platz, dem “Kreuzburger” in der Grünbergerstraße, “Vöner” in der Boxhagener Straße (wobei „veganer Döner“ nicht so ganz in besprochene Kategorie fällt; Burger gibt’s aber auch) und dem “Frisiersalon”, ebenda. Bei der Namensfindung eines solchen Etablissements kommt es darauf an, sich von der übermächtigen Konkurrenz abzuheben und den Preis für den originellsten Titel gewinnt definitiv “Burger’s Burger” in der Krossener Straße, weil der den ganzen Irrsinn erkannt hat (erinnert mich an “The The”).

Der Kenner weiß zu berichten, dass man für den besten Burger leider immer noch den Fluss überqueren muss, denn den gibts beim echten “Kreuzburger” am Schlesischen Tor und die enorme Schlange, die einem dort zu jeder Tages- und Nachtzeit begegnet, scheint dies zu bestätigen. Ein weiterer Stern am Burgerhimmel leuchtet seit Kurzem auch am Prenzlauer Berg, wo mit dem “Bird” eine Nische – Highclass! – bedient wird.

Nichtsdestotrotz wird die Feldforschung auf den heimatlichen Kiez beschränkt, denn Anschauungsmaterial gibt es hier ja zu Genüge und jeden Tag Burger essen ist, da stimme ich Muttis Rat zu, nicht gesund. Damit alles mit rechten Dingen zugeht, ganz im Sinn einer ernsthaften empirischen Studie, wählen wir für unsere Analyse den klassischen Cheeseburger. Dessen bin ich aber schon sehr bald überdrüssig und weil mir schlechtes Essen immer schlechte Laune macht – was nicht heißen soll, dass alle getesteten Cheeseburger schlecht im Sinne von qualitativ minderwertig waren, sondern, dass ein Burger für mich nicht in die Kategorie „kulinarisches Erlebnis“ fällt – lege ich das Projekt vorläufig auf Eis. Hinzu kommt: Selbst wenn es doch mal gar nicht so viel am Essen zu meckern gibt, herrscht in den meisten Läden ein Betrieb wie auf dem Flughafen oder Sonntagmittag auf dem Mauerparkflohmarkt (beim “Burgeramt” müssen sogar Wartenummern gezogen werden!) und man ist gut bedient, sein Essen in unschönen Plastiktragetaschen mitzunehmen.

Doch was ist das? Licht am Ende des Tunnels für die Rezensentin, die doch eigentlich gar keine Burger mag und sowieso findet, dass die bei Mc Donald’s und Burger King – wenn man mal die Ideologie und (Pseudo-) Moral beiseite lässt – doch ganz okay sind. Umso größer ist die Freude, als sie den “Frittiersalon” für sich entdeckt. Schon die Atmosphäre ist so ganz anders als die bei der Konkurrenz. Statt penetrantem Fettgeruch glaubt man, die frischen Zutaten riechen zu können, an der Wand hängt ein zauberhaftes Bild, auf dem ein Pommes mit umgebundener Schleife in Pastellfarben verkündet: „Fritte schön!“ und hinter der Theke stehen beim ersten Besuch ausnahmslos gut aussehende Frauen. Genau daran stört sich meine männliche Begleitung erheblich, denn „Frauen haben doch keine Ahnung vom Grillen.“ Ob kluges Konzept oder bloßer Zufall, das lässt sich beim ersten Besuch natürlich nicht klären; Tatsache ist, dass auch der Blick auf die Speisekarte Hoffnung macht. Das Fleisch ist Bio, neben dem üblichen Burgerkram wie dem unvermeidlichen Cheeseburger, gibt es so viel versprechend klingende Gerichte wie “Frühlingsburger mit Bärlauchdip”, “Holzfällerburger” oder “Burger mit Walnuss und Gorgonzola-Feigensenf.” Zu den Pommes, ebenfalls Bio, die vor den Augen der Kunden frisch zubereitet werden, wird Ziegenfrischkäse mit Oliven, Erdnusssauce oder Apfelmus gereicht. Gourmet gewinnt! Bei mir zumindest.

Der Preis für den klangvollsten Namen geht hier an den Burger namens “Krasses Gerät”, der ganz einfach aus der doppelten Menge von allem besteht (und im Testlauf als gut, wenn auch zu viel befunden wurde). Dann wäre da noch die “Fritten Bolo”, eine Art veganer Bolognese, die „auf mittlerer Pommes mit Mozzarella thront“. Bei so viel Liebe zum Detail könnte man sich fast an den Burgergeschmack gewöhnen. Ganz besonders zauberhaft ist denn auch der klangvolle Name der Frittenbeilage “Patatje Oorlog”, was wie meine hollandkundige Begleitung zu erzählen weiß, in etwa mit „Kartoffeln im Krieg“ zu übersetzen ist. Zum Trinken gibt es Bier, Kaffee, Unalkoholisches und “Frittonade” heiß oder kalt, wahlweise mit Wodka.

Alles, was in der Runde bestellt wurde, schmeckte und auch der letzte Vertreter der Ansicht „ist halt so ein Kiez-Szene-Laden“ konnte überzeugt werden. Lediglich das Brot könnte krosser sein, wobei der Burgerexperte vermutet, dass das wahrscheinlich an der fehlenden Brotgrillmaschine liegt. Und tatsächlich gelobt das freundliche Personal, nachdem es auf die Bissfestigkeit ihrer Brötchen hingewiesen wurde, Besserung: Eine neue Brotgrillmaschine soll bald Abhilfe schaffen.

Der “Frittiersalon” ist für mich das Friedrichshainer Pendant zum “Mädchenitaliener” in der Alten Schönhauser Straße, dessen kleine Schwester sozusagen (abgesehen davon, dass völlig andere Speisen serviert werden). Stilvoll, einzigartig und das in einer Preisklasse, die sich mit einem studentischem Budget verträgt.

Zugegeben: Ein schönes Beispiel wie Marketing funktioniert. Man nehme: Pastellfarben, wohlklingende Namen, frische Zutaten, nach Möglichkeit Bio, ein bisschen vegan und ein bisschen vegetarisch und ein bisschen was für den anspruchsvollen Geschmacksmenschen, respektive Kenner und fertig ist das Erfolgskonzept. Bei mir funktioniert das ganz wunderbar.

Meine männlichen Burgerfans ziehen weiterhin das “Burgeramt” vor. Mag sein, dass es „echter“ ist, da auf die eigentliche Sache, nämlich Burger machen und Burger essen, reduziert und man den ganzen Schnick-Schnack drum herum nicht braucht. Ich gehe trotzdem lieber, wenn die Wahl mal wieder auf Burger fällt oder je nachdem in welcher Begleitung einen der Burger-Hunger überkommt, fallen muss – was nach jahrelanger Abstinenz ungewöhnlich genug ist – in den “Frittiersalon.”

Weil ich ein Mädchen bin.